So gehen Sie gekonnt mit unfairen Verhandlungsmethoden um! - jobs.nzz.ch

So gehen Sie gekonnt mit unfairen Verhandlungsmethoden um!

Veröffentlicht am 04.10.2023
So gehen Sie gekonnt mit unfairen Verhandlungsmethoden um!
In Konfliktgesprächen und Verhandlungen werden kontroverse Sachverhalte diskutiert, was nicht immer einfach ist und Emotionen aufflammen lässt. Dabei sind unfaire Vorgehensweisen beim Durchsetzen von Interessen und Positionen keine Seltenheit. Was sind Mittel und Wege, um bei unfairen Methoden nicht auf dasselbe niedrige Niveau zu sinken, sondern souverän die Situation zu meistern?

Von Silke Weinig

Die meisten Menschen glauben, dass Verhandlungen nur im geschäftlichen, politischen oder beruflichen Kontext stattfinden. Dabei ist jeder Versuch, einen anderen von etwas zu überzeugen, eine Verhandlung. Wir verhandeln täglich, und das meistens mehrmals. Das Kind, das an der Supermarktkasse so lange quengelt, bis ihm die Mutter den Lolli kauft, verhandelt es setzt nicht nur seinen Willen durch, es lotet auch seine Grenzen aus. Der Vater, der will, dass der Sohn sein Zimmer aufräumt, beginnt spätestens dann zu verhandeln, wenn der Sohn sich widersetzt. Ein Paar, das konträre Urlaubsideen bespricht, verhandelt der eine versucht, den anderen von seinem Traumziel zu überzeugen.

Alle diese Beispiele haben gemeinsam, dass immer einer den anderen von etwas überzeugen will. Dass es sich bei den Überzeugungsversuchen auch um Verhandlungen handelt, ist meistens nicht offensichtlich. Viele glauben, die Lohnverhandlung sei der zweite Schritt im Bewerbungsprozess. Aber wenn wir im Vorstellungsgespräch überzeugen wollen, geht es nicht nur darum, den Job zu bekommen, sondern auch schon darum, Arbeitsinhalte und vor allem den Lohn zu verhandeln.

Überzeugen wollen braucht Übungen und Mut
Etwas erfolgreich zu erbitten oder auch einzuklagen, ist für viele sehr schwer. Aufgrund von gesellschaftlichen Konventionen und persönlicher Scheu versuchen sie erst gar nicht, andere zu überzeugen. Hinzu kommt, dass wir diese soziale Kompetenz selten beigebracht bekommen. Bevor wir es überhaupt probieren, kapitulieren wir bereits: «Das klappt sowieso nicht. Was soll’s.»
 
Falls der Gesprächspartner für uns auch noch schwierig ist, werden vorauseilend Argumente gefunden, warum wir die Auseinandersetzung besser erst gar nicht beginnen. Dabei wäre es oftmals gerade bei schwierigen Zeitgenossen wichtig, den eigenen Standpunkt klarzumachen, Grenzen zu setzen und zu zeigen, wo der Hammer hängt.

Spielraum auslotenund Grenzen bewusst machen
Verhandlungen sind Aussprachen mit dem Ziel, einen Interessenausgleich zu bewirken. Damit dies geschehen kann, setzen Verhandlungen einen Spielraum voraus, in dem sich die Kontrahenten bewegen können. Gleichgültig, was der Grund für die Aussprache ist, ob unterschiedliche Sichtweisen oder scheinbar unüberwindbare Interessenkonflikte vorliegen wenn beide Parteien zu einem Gespräch bereit sind, existiert dieser Spielraum, egal, wie klein er ist. Das ist ein guter Start. 

Innerhalb des Spielraums ist es wichtig, sich seiner Begrenzungen bewusst zu sein. Die eine Seite wird von der Sachebene begrenzt: Worum geht es? Was soll erreicht werden? Die andere Seite wird von der Beziehungsebene eingefasst: Wie ist unsere Beziehung, und wie soll sie nach der Verhandlung sein? Dieser Bereich spielt die grössere Rolle im Geschehen, und hier sollte man grössten Wert auf einen guten und vor allem fairen Verhandlungsstil legen. Unfaire Methoden lassen verbrannte Erde zurück, in der dann neue Konflikte und Probleme keimen.
 
Destruktive und manipulative Methoden
Werden gezielte, persönliche Angriffe eingesetzt, um die eigenen Interessen leichter durchzusetzen, spricht man von destruktiven Methoden. Manipulative Methoden fassen alle Arten von Täuschungsmanövern zusammen, bei denen die eigenen Interessen auf Kosten der Gegenpartei durchgesetzt werden und gleichzeitig über diesen Tatbestand hinwegtäuscht wird.

Destruktive Methoden
Zu den destruktiven Methoden gehören alle direkten Angriffe auf eine Person sowie Einschüchterungsversuche. Direkte Angriffe können Blossstellungen oder Unterstellungen sein, das Aufwärmen von früheren Äusserungen, Fehlern oder Versäumnissen, aber auch das Anzweifeln der Vertrauens- oder Glaubwürdigkeit sowie der Sachkenntnisse oder der Zuständigkeit. Typische Einschüchterungsversuche sind eine laute, herrische Sprache, Kraftausdrücke und Beleidigungen sowie demonstrative Gesten von Desinteresse oder Autorität (Blick abwenden, Augen verdrehen, genervt seufzen usw.).

Vorgehen bei destruktiven Methoden
Egal, wie Ihr Kontrahent sich verhält, lassen Sie sich nicht einschüchtern und gehen Sie auf die Angriffe inhaltlich nicht ein. Weisen Sie darauf hin, dass diese Argumente nicht relevant für die Lösung des heutigen Problems sind. Sind die Aussagen allzu haarsträubend, dann stellen Sie sie ruhig und sachlich richtig. Kehren Sie dann sofort wieder zum Thema zurück. Gerne mit dem Hinweis: «Auch auf die Gefahr hin, zu langweilen, komme ich nun zum Thema zurück.»
Manipulative Methoden
Typische manipulative Methoden sind Zermürbungstaktiken, wie z.B. Zeitdruck, den andern warten lassen, Informationen blockieren oder so häufen, dass sie nicht in der gewünschten Zeit bearbeitet werden können.

Hierzu zählen auch Drohstrategien, bei denen mit einem «Entweder oder» Druck ausgeübt und erpresst wird. Oft angewendet werden auch Blockadestrategien. Zu ihnen gehören unter anderem, nicht verstehen zu wollen, auszuweichen, abzulenken, sich zu verzetteln, viel zu reden, aber nichts zu sagen, Scheininteresse. Mit Killerphrasen, zweckentfremdeten Sprüchen und Sprichwörtern oder Schwarz-Weiss-Malerei wird gerne simplifiziert. Weitere rhetorische Kunstgriffe sind Scheinalternativen oder die Vorwegnahme der Entscheidungswahl durch Fragen. Neben absichtlichen Täuschungsmanövern wie, Vermutungen und Gerüchte als Tatsachen darzustellen, Lügen oder Desinformationen gehören zu den manipulativen Methoden auch alle emotionalen Fallen von Schmeicheleien über Gefühlsausbrüche bis hin zur Simulation von Betroffenheit, dem Erzeugen eines schlechten Gewissens und dem Stellen der Vertrauensfrage.

Vorgehen bei manipulativen Methoden
Auf manipulative Methoden müssen Sie reagieren, da sie hochgradig unfair sind und Ihre Würde untergraben. Welche Taktik auch immer gewählt wird, lassen Sie sich nicht auf dieses Niveau ein. Machen Sie deutlich, dass Sie den Trick erkannt haben. Seien Sie sich dessen bewusst, dass Sie nicht gezwungen sind, sofort auf eine manipulative Taktik zu reagieren. Frei nach Paul Watzlawick, der sagte: «Man kann nicht nicht kommunizieren», spricht auch ein Abbruch der Gespräche Bände. Das ist sicherlich die letzte Lösung, aber eine legitime. Weitere Lösungen sind, das Gespräch zu vertagen oder klare Spielregeln einzufordern. Wenden Sie sich – sofern möglich – an eine höhere Stelle, wenn Ihr Gesprächspartner mit den manipulativen Methoden fortfährt.

In weniger schweren Fällen können Sie nach dem Aufdecken von falschen Informationen um Stellungnahme, Fakten und Beweise bitten. Verlangen Sie sachliche Antworten. Stellen Sie gezielte Fragen, damit der andere zu konkreten Beispielen gezwungen ist, statt in Vereinfachungen zu flüchten. Nennen Sie bei Bedarf Gegenargumente, aber vermeiden Sie Rechtfertigungen. Halten Sie Abmachungen schriftlich fest.

Autorin:



Silke Weinig ist Coach, Trainerin und Bloggerin für Selbstmanagement und Potenzialentfaltung. Ihr Ziel ist es, wirksame Instrumente und kreative Impulse zu geben, mit denen jeder seinen Alltag nach den eigenen Bedürfnissen gestalten kann.
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